Zurzeit beschäftige ich mich wieder einmal sehr intensiv mit dem Begriff „Hunger“. Dabei wird mir immer klarer, dass das, was wir oft als „Hunger“ bezeichnen, gar nicht der wirkliche Hunger ist, der sich einstellt, wenn unser Körper Energie braucht. Wir verwechseln das unangenehme Gefühl eines leeren Magens mit dem unangenehmen Ziehen in der Herzgegend. Liegen doch diese beiden Organe anatomisch gesehen gar nicht so weit voneinander entfernt. Wir fühlen uns unwohl und leer, also entscheiden wir uns dazu, schnell etwas Essbares zu besorgen.
Doch viel zu oft ist es nicht der Magen, der Nachschub braucht. Es ist das Herz, das hungert. Ich bezeichne diese Art von Hunger als „Seelenhunger“. Ein Hunger, der aus der Tiefe unseres Seins kommt, und der – genauso wie der körperliche Hunger – sehr intensiv sein kann.
Die letzten zwei Jahre der Pandemie haben uns alle verändert, haben viele an ihre Grenzen gebracht, haben unsere Leben auf den Kopf gestellt und uns durchgerüttelt. Wir waren mit gesundheitlichen Problemen konfrontiert, und auch mit so manch anderen Herausforderungen. Vielleicht mit dem Aufkeimen von Ärger und Wut. Mit Hilflosigkeit. Mit Machtlosigkeit. Mit der Angst, unsere Freiheit zu verlieren. Ja, die Pandemie hat mit jedem von uns etwas gemacht.
Und nun? Wie gehen wir mit der langsam wiederkehrenden Normalität um?
- Verhalten wir uns so, als wäre alles wie vorher?
- Reden wir uns das Leben schön, obwohl wir unglücklich sind?
- Decken wir uns mit Süßigkeiten und Chips ein, um damit auf der Couch beim spannenden Fernseh-Krimi die Verrücktheit der Welt zu vergessen?
- Suchen wir Trost und Sicherheit im Essen?
- Essen wir zu viel, um damit unsere Unzufriedenheit nicht zu spüren?
So gut wir es auch schaffen uns abzulenken, der Seelenhunger bleibt.
Die Mutigen von uns – und das sind viele und werden immer mehr – lassen den Seelenhunger an die Oberfläche steigen. Auch wenn es unbequem ist und weh tut, wir wollen andere Wege finden, wollen aus dem alten Trott herauskommen. Also stellen wir uns dem Hunger, der in unserem Inneren nagt und fragen uns:
Wonach sind wir wirklich hungrig?
Wir alle wollen wieder leben! Wollen das Leben neu entdecken. Wir möchten mit den Menschen in unserem Umfeld eine tiefere Beziehung aufbauen, und vor allem auch mit uns selbst. Wir möchten wirklich erkennen, wie liebenswert wir sind und uns mit Selbstliebe auffüllen. Uns neu erfinden, uns verändern. Beruflich, oder auch privat. Die Perspektive wechseln, unser Zuhause verschönern oder uns einen neuen Ort zum Wohnen suchen der sich besser anfühlt. Einen Kräutergarten anlegen. Uns neu verlieben. Reisen. Alte Träume wieder ausgraben, neue Träume zulassen. Pläne schmieden und diese dann auch umsetzen.
Wir wollen uns nicht mehr mit Brösel abspeisen lassen, wir wollen ein ganzes Stück Kuchen. Wir wollen den ganzen Kuchen!
Unser Seelenhunger führt uns zum ganzen Kuchen, er bringt uns dazu, auf unser Herz zu hören. Was wollten wir schon immer machen und haben uns nicht getraut? Worauf warten wir noch? Wir wollen nicht irgendwann zurückschauen und feststellen, dass wir ein ungelebtes Leben geführt haben!
Das nächste Mal, wenn es im Magen rumort und wir glauben, hungrig nach Essen zu sein, können wir einmal tief durchatmen und uns fragen:
Ist es der Magen, der gefüllt werden möchte, oder unsere Seele?
Und dann sorgen wir dafür, dass wir unseren Hunger stillen. Den Hunger nach Nahrung und den Hunger nach Leben und Liebe!