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Die Corona-Kilos

Durch die Krise der letzten Monate ist in der Diät- und Fitnessbranche ein neuer Begriff entstanden: die Corona-Kilos. Gemeint sind damit die drei oder vier (oder mehr) Kilo Gewichtszunahme, die sich bei einigen während des Lockdowns auf Bauch und Hüften geschummelt haben. Dieses Phänomen wird erklärt durch falsches Essen (zu viel vom „Guten“), der Schokolade und den Chips vor dem Fernseher (wie sollte man sich sonst die Zeit vertreiben?) und zu wenig Bewegung (die Fitnessstudios waren geschlossen und rausgehen nur beschränkt möglich). Andererseits ließ eine erhöhte Produktion von Cortisol (dem Stresshormon – natürlich waren wir gestresst!) während der Pandemie die Zahl auf der Waage nach oben steigen.

Zur Schadensbegrenzung heißt es nun: sich zusammenreißen, den Kilos den Kampf ansagen, den inneren Schweinehund überwinden, sich wieder mehr bewegen und weniger essen. Eine Corona-Diät machen – wie auch immer die aussieht. Die Schokolade verstecken oder erst gar nicht mehr kaufen. Mit Disziplin und Durchhaltevermögen werden die Zähne zusammengebissen und schwupps, die Kilos verschwinden und alles ist wie früher.

Oder doch nicht?

Wird hier nur wieder an der Oberfläche gekratzt? Sind diese Ratschläge, wie man seine Corona-Kilos erfolgreich verliert, doch nur ein neuer Aufguss im Diät-Hamsterrad? Wir müssen endlich begreifen, dass wir die Art und Weise wie wir uns ernähren und mit unserem Körper umgehen nicht vom Rest unseres Lebens trennen können. Das hat früher schon nicht funktioniert und es funktioniert jetzt noch weniger. Unser aller Leben hat sich in den letzten Monaten massiv verändert. Die Welt steht Kopf. Jeder hat seine speziellen Herausforderungen. Viele haben ihren Job oder ihre Aufträge verloren, ein fixes Einkommen bleibt aus, die Lebensgrundlage ist bei so manchem gefährdet. Wir bangen um unsere Sicherheit, haben Angst, sind wütend. Wir fühlen uns ohnmächtig.

Und dann ist da das gute Essen, das „Comfort Food“. Die Milchschokolade. Die Eiskreme. Die große Portion Pasta. Essen als Bewältigungsstrategie, um die schwierige Zeit besser zu überstehen. Um uns ein bisschen wegzuswitchen von dem, was „da draußen“ gerade abläuft. Und ja, diese Strategie wirkt. Wir können für einige Momente vergessen und uns eine heile Welt erschaffen. Doch Essen als Werkzeug, um die Gefühle, die tief in uns vergraben sind und nun auftauchen loszuwerden, verändert gar nichts. Denn es macht Sinn, dass diese Gefühle sich gerade jetzt zeigen und nicht mehr länger im Unbewussten ein Schattendasein führen wollen. Sie sehen eine Chance, endlich erlöst zu werden. Doch erlösen können wir sie nur, wenn wir ihnen Raum geben. Uns hinsetzen und die Gefühle der Angst oder Unsicherheit oder Langeweile auftauchen lassen. Sie willkommen heißen und anerkennen. Sie wertschätzen. Sie einfach da sein lassen, ohne sie verändern zu wollen. Das erfordert Mut, Präsenz und Hingabe. Doch früher oder später löst sich jedes Gefühl auf.  

Was ist also sinnvoller als jede Corona-Diät? Mitgefühl zu haben mit sich und die Zahl auf der Waage nur als solche sehen: Als Zahl. Seine hohen Ansprüche hinterfragen. Seine Bedürfnisse erkennen. Selbstliebe und Selbstfürsorge. Das Vertrauen, gut aufgehoben zu sein – im Körper, im eigenen Leben und in der Welt.  

Und dann, wenn unsere Gefühle uns nicht mehr Achterbahn fahren lassen sondern sich wie ein fröhlich dahinplätscherndes Bächlein zeigen, können wir – aus der Liebe zu uns heraus – handeln. Unsere Ernährungsgewohnheiten korrigieren, unsere Mahlzeiten wieder gesünder gestalten und nur das essen, was uns wirklich, wirklich guttut. Wieder in die Gänge kommen und uns bewegen. Uns den Spaß am Leben zurückholen. Glücklich sein – trotz alledem. Doch mehr davon im nächsten Blog…