Wir leben zurzeit in einer instabilen Welt. Es holpert und rumpelt und Veränderungen gehören zum Alltag wie die Butter aufs Brot. Uns bleibt nichts anderes übrig, als damit umzugehen und daran zu wachsen. Nichts ist mehr so, wie es sein sollte, und wir werden auch nicht mehr dahin zurückkehren, wo wir einmal waren. Alte Strukturen lösen sich auf oder brechen zusammen, während wir die neue, bessere Welt nirgendwo sehen, geschweige denn begreifen können was gerade passiert. Wir leben buchstäblich zwischen zwei Welten, und wohin es geht, das weiß keiner so genau.
Da ist Mut gefragt, und Durchhaltevermögen. Vor allem aber brauchen wir gerade alle eine riesige Portion Vertrauen. Vertrauen in die unergründlichen Wege des Lebens, und dass sich alles zum Guten wendet, auch wenn sich auf der Weltenbühne das Gegenteil zeigt.
Kein Wunder, dass in vielen von uns Ängste auftauchen. Diffuse Ängste wie etwa das Gefühl, nicht mehr sicher zu sein, den Boden unter den Füßen zu verlieren oder seine Freiheit aufgeben zu müssen. Aber auch konkrete Ängste wie seinen Alltag nicht mehr finanzieren zu können, krank zu werden oder geliebte Menschen zu verlieren. Vielleicht sogar das eigene Leben. Angst ist gerade DAS Gefühl, das unseren Planeten beherrscht. Doch so richtig fühlen wollen wir unsere Angst trotzdem nicht, wir lenken uns lieber mit anderen Dingen ab.
Eine sehr effektive Strategie, die viele verwenden, um die Angst nicht zu spüren, ist Essen. Der Vorsatz, sich um seinen Körper zu kümmern und ihn mit guter, hochwertiger Nahrung lebendig und fit zu halten, wird auf die Seite geschoben. Die Angst ist stärker, und sie muss abgeschwächt und beruhigt werden. Am liebsten wollen wir sie gar nicht fühlen. Also muss unser „comfort food“ herhalten: Schokolade oder Kartoffelchips, Lasagne oder Pasta oder Pizza, vielleicht ein Glas Wein (oder zwei) dazu, und schon macht sich ein wohliges Gefühl in unserem Körper breit. Dabei merken wir gar nicht, dass die Angst mitisst. Die Portionen werden größer, und trotzdem werden wir nicht satt. Denn die Angst ist eine hungrige Gesellin, und so leicht lässt sie sich nicht wegdrücken. Wir schieben sie maximal noch eine Schicht tiefer in unsere Psyche. Doch früher oder später wird sie zurückkommen, und dann ist sie intensiver als zuvor.
Wie gehen wir also um mit dieser Angst? Gibt es eine andere Möglichkeit, als sie durch Essen loszuwerden zu wollen? JA, die gibt es!
Zuerst müssen wir uns klar machen, dass Angst ein Gefühl ist. Ein Gefühl möchte zugelassen werden. Es braucht Raum und Wertschätzung und Aufmerksamkeit. Unsere Gefühle möchten gehört, gesehen, anerkannt und gefühlt werden. Wenn wir ein Gefühl wirklich zulassen, dann verliert es sofort an Intensität und löst sich früher oder später auf. Wir brauchen unsere Gefühle, denn sie haben eine wichtige Funktion. Sie zeigen uns, in welcher Beziehung wir gerade mit uns und unserer Welt stehen. So kann uns Angst schützen, oder uns darauf aufmerksam machen, dass wir auf unserem Weg gerade falsch abgezweigt sind. Ängste werden aus Gedanken geboren, und drücken sich als Gefühle im Körper aus. Wenn wir das Gefühl der Angst zurückverfolgen, werden wir seinen Ursprung erkennen. Dann können wir überprüfen, ob dieser Gedanke der Wahrheit entspricht, oder ob er uns von außen übergestülpt wurde und nun im Sorgenkarusell unseres Kopfes festhängt. Denn der Großteil unserer Ängste schwirrt nur in unserem Kopf herum und entspricht gar nicht den Fakten. Doch auseinandersetzen mit unseren Gedanken und Gefühlen müssen wir uns, damit wir ihre Nachricht verstehen. Nur so können wir verändern, was in unserem Leben nicht mehr Bestand hat.
Die momentane Zeit erfordert ein bewusstes Umgehen mit allen Gefühlen. Viele ungeliebte Gefühle wie Angst, Trauer, Schmerz und auch Wut sind in unserem Körper gespeichert und streben an die Oberfläche. Sie warten darauf, sorgsam befreit, gefühlt und achtsam ausgedrückt zu werden, mit viel Mitgefühl für uns und unsere Menschlichkeit. Dann brauchen wir Essen nicht mehr als Strategie zum Nicht-Fühlen zu verwenden, sondern können genussvoll unsere Mahlzeiten zelebrieren.